Michael Rosentritt & Sebastian Deisler: Zurück im Leben
Lange habe ich auf das Buch „Zurück im Leben“ von Michael Rosentritt gewartet. Ja ich gebe es, zu ich war sehr gespannt, was einer meiner Fussballhelden zu erzählen hat. Ich kann es gleich vorwegnehmen, das Buch über Sebastian Deisler hat mich in keinster Weise enttäuscht. Nein, ich traue mich sogar zu sagen, dass es da beste Fussballbuch ist, dass ich bisher gelesen habe. Der Anfang des Buches beginnt jedoch etwas schleppend, jedoch versteht man später sehr gut, wieso das Buch eben genauso beginnt. Es werden die Anfänge seiner Fussballkarriere gezeigt, seine Jugendzeit beleuchtet und alle Schwierigkeiten, die er schon zu dieser Zeit in seinem Leben zu bewältigen hatte. Das ganze geht chronologisch weiter bis zu seinem Rücktritt vom Profifussball und seinem heutigen Seelenzustand. Es werden Mechanismen des Bundesligageschäfts hinterfragt, die Menschlichkeit im Profifussball gesucht und es wird ein Mensch dargestellt, der immer mit sich und seinem Körper zu kämpfen gehabt hatte. Dass es ihm irgendwann zu viel wurde, das wissen wir, aber wieso es zu viel wurde, das erfahren wir hier.
Sebastian Deisler liegt am Boden, er krümmt sich und mit ihm die halbe Nation. (Zitat aus dem Buch)
Der Autor des Buches, Michael Rosentritt, schafft zusammen mit Sebastian Deisler ein Buch, das man in meinen Augen schon auch als eine schonungslose Abrechnung mit den sensationsgeilen Medien und mit dem Profifussballtum an sich gesehen werden kann. Immer wieder werden Beispiele aus der Medienlandschaft in die Erzählung mit eingebaut und es wird dabei auch gezeigt, wie sehr Sebastian Deisler diese Berichterstattung psychologisch zugesetzt hat. Er sollte der „Heilsbringer“, der „Messias“ sein, aber mit diesem öffentlichen Druck, den die Medien erzeugt haben, kam er nicht so richtig klar. Dank des sprachlichen Wechsels von der chronologischen sachlichen Erzählweise des Autors hin zu einer zweiten persönlichen Erzählebene mit aktuellen Statements von Sebastian Deisler und den damit verbundenen aktuellen Einblicken in seine Seele wirkt das Buch sehr authentisch, ehrlich und trotzdem lebhaft. Dieser Wechsel ist toll gemacht, dadurch wird man richtig an das Buch gefesselt und kann sich gut in Sebastian Deisler hineinversetzen.
Was willst du denn von mir? Ich reiß mir hier den Arsch auf, mein Knie tut weh und du schreist hier rum? (Zitat aus dem Buch, Sebastian Deisler schreit Oliver Kahn nach desse Kritik an)
Man erfährt wie es in der Bundesliga wirklich zugeht. Man erfährt aber auch viel über die lange verschwiegene Volkskrankheit Depression. Ich habe mich noch nie so richtig mit dieser Krankheit beschäftigt, aber durch die Geschichte von Sebastian Deisler bin ich darauf aufmerksam geworden. Dank seiner schonungslosen Ehrlichkeit erhält man Einblicke in das Seelenleben eines Patienten, der oftmals in seinem Leben nicht mehr weiterweiß. Michael Rosentritt hat Sebastian Deisler eine lange Zeit seines Lebens begleitet und er ist vermutlich der einzige Medienvertreter auf der Welt, zu dem unser „Basti Fantasti“ ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat. Nur dadurch konnte er sich öffnen und uns sein Seelenleben preisgeben, was bei mir wiederum viel Verständnis für das Krankheitsbild „Depression“ auslöste. Zwischendurch erfährt man auch, welche beruflichen und persönlichen Faktoren die Depressionen bei Sebastian Deisler vermutlich ausgelöst haben und wie er sich auf die Suche nach seinem persönlichen Glück begibt.
Die Geschichte Sebastian Deislers ist die eines jungen Mannes, der als fußballerisches Jahrhundert-Talent gilt, mit 21 Jahren Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft wird und dessen Jawort dem FC Bayern München ein Handgeld von 20 Millionen DM wert ist. Es ist auch die Geschichte eines unfertigen jungen Mannes, der zum Heilsbringer des deutschen Fussballs stilisiert wird, von dem die Öffentlichkeit Besitz ergreift, der zahlreiche körperliche und seelische Verletzungen bis hin zu einer Depressionserkrankung erleidet und der sich immer weiter in sich selbst zurückzieht. Wenige Tage nach seinem 27. Geburtstag steigt er aus entkräftet, entnervt und gebrochen aus. Dann verschwindet er von der Bildfläche. Für die Öffentlichkeit kommt diese Entwicklung nicht ganz überraschend. Es war ein langsamer Tod einer Medienfigur, und wir alle haben diesem Verschwinden über Jahre zugesehen. In zahlreichen Gesprächen hat Deisler sich in den zwei Jahren nach seinem Rücktritt dem Journalisten Michael Rosentritt anvertraut. Entstanden ist daraus ein Buch über Begeisterung und Liebe zum Fußball, aber auch über Ängste, Qualen, Selbstzweifel, Depressionen und den mühsamen Weg zurück in ein normales Leben. (Kurzbeschreibung des Inhalts)
Auf eines wird in dem Buch, vor allem am Ende, sehr oft hingewiesen und genau deshalb will ich es hier auch noch einmal erwähnen. Nicht die ganze Fussballwelt ist schlecht, es gibt einige Ausnahmen. Persönlichkeiten, die sich um den Menschen Deisler bemüht haben, die versucht haben, ihm zu helfen und sich ihm gegenüber einfach nur wie normale Menschen verhalten haben. Doch auch Uli Hoeness und Ottmar Hitzfeld sind mit ihren Bemühungen gescheitert, denn sie wussten einfach zu wenig über seine Krankheit und wie man mit ihm dauerhaft umgehen kann.
In der Bayern-Kabine Mensch zu sein, ist gar nicht so leicht. Das schaffst du nur, wenn du dir sagst: Ich bin der Größte. Du baust auf dich und unterdrückst deine Gefühle. (Zitat aus dem Buch)
Ich kann euch nur empfehlen, kauft das Buch, lest es langsam und ruhig durch. Es ist kein Buch, das man mal eben schnell verschlingen kann. Ich habe mir Zeit dafür genommen und habe auch immer wieder mittendrin mal nachgedacht und mir auch meine eigenen Erinnerungen an den Fussballspieler Sebastian Deisler zurück ins Gedächtnis geholt. Was soll ich also sagen, ich bin begeistert. Das Buch gefällt mir außerordentlich gut und daher gibt es von mir meine persönliche Bestnote für das Buch. Eine absolute Kaufempfehlung…
Wertung: 10/10
Seiten: 256
Erscheinungsjahr: 2009
Bezug: Amazon
Die Auslöser der Fotokameras klackern hundertfach. Deisler kenn diese Melodie. Ein letztes Mal wird sie ihm gelten. Vermissen aber, wie es so vielen prominenten Fussballern vor ihm ergangen ist, wird er sie nicht. Dann ergreift Deisler, mit seinen Zähnen langsam auf der Unterlippe herumfahrend, das Wort: „Viel gibt es nicht mehr zu sagen…“ (Zitat aus dem Buch, Die Pressekonferenz zu seinem Rücktritt)
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