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Ängstliche Funktionäre verboten Frauenfussball in Deutschland… | Fritten, Fussball & Bier
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Fritten, Fussball & Bier / Fussballmädchen  / Ängstliche Funktionäre verboten Frauenfussball in Deutschland…

Ängstliche Funktionäre verboten Frauenfussball in Deutschland…

Frauenfussball in Deutschland gibt es schon lange. Vereinsaufzeichnungen belegen, dass schon im Jahr 1900 Frauen dem Ball hinterherjagten, wenn auch nicht professionell oder mit großem sportlichen Hintergedanken. Es ging einfach um den Spass beim Kicken und den hatten die Damen damals wie heute schon. Bis in die 20er Jahre hinein störte sich niemand an den kickenden Frauen, bis schließlich ein paar Gynäkologen die Theorie aufstellten, dass Sportlerinnen „vermännlichen“ und so ihre eigentliche Bestimmung, die Fortpflanzung am Ende nicht mehr ausführen konnten. Wie gesagt, das war in den 20er Jahren und das zog ein erstes Verbot des Frauenfussballs nach sich.

Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand. (Stellungnahme auf dem DFB-Bundestag am 30. Juli 1955)

Das war schon eine schwere Sünde, dass die Mädchen da mit einem wackeligen Busen übers Feld liefen und dann auch noch gegen den Ball traten oder sich gegenseitig foulten. Nach Vorstellungen der alten Herren war das unmöglich. Man wollte einfach keine Damenfußballabteilungen und keine Damenwettbewerbe, weil man sagte, das ist kein Sport, der sich für Frauen eignet, weil der Körper der Frau für den Kampfsport – denn Fußball wurde immer noch als Kampfsport angesehen – weder physisch noch seelisch geeignet ist“.(Dr. Hubert Claessen, langjähriges DFB-Vorstandsmitglied und Deligierter beim DFB-Bundestag im Jahr 1955, erklärt in einem Interview im Jahr 1999 das Verbot)

Am 30. Juli 1955 diskutierte der Deutsche Fussballbund auf seinem Bundestag in Berlin über Frauenfussball und verbot diesen gleich mal mit den deftigen Worten: „Diese Kampfsportart der Natur des Weibes im wesentlichen fremd ist.“ Damit war erst einmal klar, dass es in Deutschland keine Frauenfussballmannschaften oder -vereine geben würde. Doch mit so einer seichten Begründung konnte man die Damenwelt nicht vom Fussball abbringen und so spielten sie einfach versteckt weiter. Auch die Androhung des DFB, dass jeder Verein, der Damenfussball unterstützt oder auch nur seinen Platz an Frauen vermietet, hart bestraft werden würde, konnte die Entwicklung nicht aufhalten. Die Frauen wollten Fussball spielen und das taten sie auch. Sogar Länderspiele organisierte die Damenwelt in dieser Zeit, das allererste war im Mai 1956 in Essen und sage und schreibe 18.000 Zuschauer wollten den Ländervergleich gegen Holland sehen. In der deutschen Presse gibt es nach dem Länderspiel durchweg positive Kritiken, auch wenn man bei der ein oder anderen Textzeile schon zweimal das positive herauslesen muss: „…daß die Sportart, die in Deutschland bisher nur Männern vorbehalten war, auch für Frauen durchaus möglich ist.“ (Quelle: NRZ, 24.9.1956) Doch es sollte noch lange dauern bis die alten DFB-Funktionäre alle Kämpfe mit Städten, Vereinen und der Presse ausgefochten hatten und ihre negative Einstellung gegenüber des Frauenfussballs aufgeben sollten. Bis das aber passierte, versuchte man alles. Man drohte Städten wie München und Frankfurt sogar, keine Herren-Länderspiele mehr dort auszutragen, weil dort kurz zuvor Frauen-Länderspiele ausgetragen worden waren.

Frauenfußball-Länderspiel Deutschland-Holland in Essen, 21.9.1956 – Endstand 2:1
Die Gleichberechtigung schreitet auch in Fußballstiefeln voran. Essen war Schauplatz des ersten Länderkampfes der deutschen Frauen in Schwarz-Weiß gegen Holland. 18.000 Zuschauer waren Zeugen dieses historischen Tages. Der Name Beckmann wird zweifellos in die Damenfußballgeschichte eingehen, denn die Mittelstürmerin schoß das 1. deutsche Länderspieltor. Wie Herberger Schützlinge zu ihren besten Zeiten, so ziehen die jungen Damen elegant und zu allem entschlossen ihre Kreise. Die Mühe lohnt sich. Ein haarnadelscharfer Schuß der Halblinken, und es steht 2:0. Auch in der 2. Halbzeit zeigen die deutschen Frauen ein geradezu bestrickendes Spiel. Die Holländerinnen erzielen nur einen Gegentreffer. Mit diesem 2:1 Sieg kommt Deutschlands Fußball endlich wieder zu einem schönen Sieg. (Quelle: Neue Deutsche Wochenschau vom 28.9.1956)

Der DFB hielt bis zum Jahr 1970 eisern an dem Verbot fest, doch dann konnten sich die Funktionäre nicht mehr erfolgreich gegen den Frauensport wehren und schließlich erlaubten sie den Damen, dass sie den Ball hinterherjagten. Allerdings gab es noch Änderungen im Regelwerk, was die Frauen sehr verstimmte. So durfte ein Spiel z. B. nur 70 Minuten dauern, die Bälle mussten kleiner und leichter sein, Stollenschuhe waren nicht erlaubt und Frauen durften im komplette Winter nicht Fussball spielen. Sogar im ZDF-Sportstudio wurden einige Damen der inoffiziellen deutschen Frauen-Fussballnationalmannscht von Moderator Wim Thoelke empfagen. Allerdings mussten sich Doris Reeder, Veronika Kutter, Sonja Spielberger und Marliese Emig einiges an Unverschämtheiten des Moderators anhören, womit der Moderator und das ZDF ihr Unverständnis gegenüber dem Frauenfussball ganz Deutschland zeigen wollten.

Decken, decken – nicht Tisch decken. (Wim Thoelke, Moderator des ZDF-Sportstudios im Jahr 1970, kommentiert in der Sportschau Frauenfussball)

Die brauchen sich gar nicht aufzuregen die Zuschauer, die Frauen waschen ihre Trikots doch selber! Wenn die Männer in den Schlamm fallen würden, das wäre schlimm… (Wim Thoelke, Moderator des ZDF-Sportstudios im Jahr 1970, kommentiert in der Sportschau Frauenfussball)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=0e0eUJYkHQA[/youtube]

Das alles störte die Damten aber relativ wenig, denn sie wussten, dass sie nicht mehr aufzuhalten waren. Meisterschaften wurden ausgetragen, Länderspiele organisiert und im Jahr 1974 wurde Bärbel Wohllebens Tor im Finale der deutschen Frauenfussballmeisterschaft von der ARD mit dem Tor des Monats ausgezeichnet. Damals war das ein absolutes Novum und für viele männliche Fans das Ende des Fussballs. Wie Wim Thoelke darauf reagiert hat, ist uns nicht bekannt, aber wir könnten uns schon vorstellen, dass er bei dieser Nachricht rot angelaufen ist und sich erst mal schreiend auf den Boden geworfen hat. Wie so viele Männer hatte er damals einfach nur Angst, dass er – wenn die Frauen jetzt Fussball spielen – zu Hause den Tisch decken muss und Kochen muss. Arbeiten, die für viele Männer der damaligen Zeit außerhalb ihres Horizonts waren.

Im Jahr 1982 fiel schließlich eine weitere Hürde. Der DFB erlaubte das erste hochoffizielle Länderspiel der Frauen. Am 10. November 1982 trat man im Koblenz gegen die Frauenauswahl der Schweiz an und siegte an diesem historischen Tag mit 5:1. Das war die Geburtsstunde der Nationalmannschaft, die heute viele Fans in Deutschland und die auf der ganzen Welt geachtet und gefürchtet wird. Aber noch waren nicht alle DFB-Funktionäre von den kickenden Frauen überzeugt und so wurde immer wieder dafür gesorgt, dass den Mädels viele Steine in den Weg gelegt wurden. Bemerkenswert und auch oft zitiert ist ein Satz aus dem Jahr 1982 zum Thema Trikotwerbung bei Frauen:

Aufgrund der Verzerrungen durch die Anatomie kamen wir zu dem Entschluss, dass durch Werbung im Brustbereich der Trikots keine neuen Einnahmequellen für den Damenfußball erschlossen werden können. (Der DFB zum Verbot von Trikotwerbung für Frauen)

Tja und heute? Heute schmücken sich die DFB-Bosse mit der Frauennationalmannschft, Werbung auf den Trikots ist erlaubt (und die anatomische Verzerrung ist die gleiche geblieben), die Stadien sind oft gut gefüllt und es gibt viele Vereine. Die einzigen störenden Punkte sind aber nach wie vor Funktionäre wie z.B. ein gewisser Sepp Blatter, der im Jahr 2004 gewaltig Prügel einstecken musste, weil er die Frauen aufforderte, wie Beachvolleyballspielerinnen in Hotpants Fussball zu spielen. Das hätte ihm gefallen, ganz klar, wem es aber nicht gefiel, das waren die Damen, um die es ging. Auf der ganzen Welt fluchten die Damen nur noch über den FIFA-Chef und Julie Foudy, damals in der amerikanischen Nationalmannschft, bot Sepp Blatter mit den folgenden Worten Parolie:

Wir werden engere Shorts tragen, wenn Blatter seine Pressekonferenzen demnächst im Badeanzug gibt. (Julie Foudy, amerikanische Nationalspielerin im Jahr 2004, kontert Sepp Blatters Kleidungsvorschriften)

So das war unser kleiner Ausflug in die Geschichte des deutschen Frauenfussballs. Wir haben bewußt die letzten Jahre weggelassen und wollten nur relativ knapp darstellen, wie Frauenfussball im Laufe der Jahre „legalisiert“ wurde und mit welchen dummen Sprüchen die Damenwelt eigentlich bis heute noch leben muss. Weitere Infos findet ihr im Netz im Wikipedia oder beim DFB.

Quelle: www.dfb.de // Neue Deutsche Wochenschau 28.09.1956 // ARD // NRZ, 24.9.1956 // Wikipedia // Youtube (User: sportstudio)

Toby Volke

Servus, ich bin der Frittenmeister. Den Blog habe ich 2006 nach der WM in Deutschland gegründet, einfach weil ich meiner Leidenschaft, dem Fussball, mehr Zeit widmen wollte. Und was ist da besser dazu geeignet als ein Blog, wo man immer viel Hintergründe recherchieren muss. Passt perfekt oder?Verein: SV Wacker Burghausen

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