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Wie der Videoschiedsrichter den Fußball verändert

by Frittenmeister

Es ist die zweite Bundesligasaison in der der Videoschiedsrichter zum Einsatz kommt. Hat der Video-Assistent bislang dazu beitragen können, die Liga gerechter zu machen und Fehlentscheidungen zu minimieren? Oder richtet er mehr Schaden an, als dass er des Deutschen liebsten Sport wirklich besser macht?

Seit der Bundesligasaison 2017/2018 achtet nicht mehr nur das Schiedsrichter-Team auf dem Spielfeld auf die Einhaltung der Regeln, sondern auch ein Videoschiedsrichter in einem Keller in Köln. Es ist eine logische Entwicklung im Milliardengeschäft Fußball, wo jeder falsche Pfiff über Sieg und Niederlage entscheiden kann – und somit auch über bares Geld. Der DFB nahm als einer der ersten Fußballverbände überhaupt die Herausforderung für mehr Gerechtigkeit im Fußball an und installierte den Posten des VARs (Video Assistent Referee) für die Bundesliga.

Videoschiedsrichter-Regeln – was er darf und was er nicht darf

Laut Regelwerk darf der VAR nur Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen, wenn er eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters auf dem Feld in einer der folgenden Situationen feststellt:

  • Foulspiel, Abseits oder ähnliche Widrigkeiten, die unmittelbar mit dem Erzielen eines Tores im Zusammenhang stehen
  • Situationen, die über Elfmeter entscheiden
  • Entscheidungen über Rote Karten
  • Die Verwechslung eines Spielers, wenn eine Verwarnung oder Rote Karte gezeigt wird

In der ersten Testphase 2016 hatte der VAR 33 von 44 Fehlentscheidungen korrigiert – ganze 75 Prozent also, was tatsächlich nach einer deutlichen Verbesserung aussah. Doch im Verlauf der ersten vollständigen Spielzeit mit Videoschiedsrichter in der Saison 2017/2018 entpuppte sich das Eingreifen des VARs als vieles, nicht jedoch als klare Verbesserung. Tatsächlich erklangen in mehr und mehr Spielen auf den Tribünen wütende „Ihr macht unseren Sport kaputt“-Gesänge in Richtung des DFBs. Zurecht? Da es keine offiziellen Daten von DFB und DFL gibt, können wir nur auf inoffizielle Zählungen zurückgreifen – doch die verraten schon sehr viel!

Videoschiedsrichter-Statistik in der Bundesligasaison 2017/2018

Wie die Infografik von Betway Insider zeigt, haben sich die Eingriffe des Schiedsrichters im Verlauf der vergangenen Saison verändert. Nach der Hinrunde erfolgte eine Anpassung der Regeln für den VAR, was seine Eingriffe um nahezu die Hälfte reduzierte. Am deutlichsten tritt der Videobeweis bei Elfmetern in Erscheinung: 26 wurden durch den VAR gegeben, 13 aberkannt. Doch welchen Einfluss nahm der Video-Schiedsrichter auf die Tabelle – haben Vereine vom Videobeweis profitiert oder verfluchen sie das wachsame Auge aus dem Kölner Keller nach der vergangenen Saison?

Bei der Frage, ob sich an der letztlichen Tabelle etwas ohne den VAR markant geändert hätte, muss bedacht werden, dass jedes Spiel dadurch ganz anders hätte verlaufen können. Das Gedankenspiel ergibt jedoch, dass zum Beispiel der BVB ohne die Korrekturen zu seinen Gunsten (8 an der Zahl) aus den Champions League-Plätzen rausgerutscht und Bayer Leverkusen (mit 8 VAR-Entscheidungen gegen sich) hineingeklettert wäre. Reine Hypothese, doch es wird klar: Die Eingriffe des Videoschiedsrichters beeinflussen Ergebnisse und somit die Tabelle. Nichts anderes war gewünscht, als man den VAR einführte.

Und heute? Der Videoschiedsrichter in der Saison 2018/2019

In der laufenden Saison 2018/2019 kam es schon zu einigen kuriosen VAR-Momenten. Direkt zum Saisonstart sorgten Videoschiedsrichter-Entscheidungen für große Aufregung. Allein am ersten Spieltag gab es gleich 10 On-Field-Reviews – das sind Situationen, die sich der Schiedsrichter noch einmal auf dem Monitor ansieht. Zudem zählen wir die bislang längste Unterbrechung durch den VAR (4:50 Minuten am 8.Spieltag) und die meisten Korrekturen an einem Spieltag (6 Stück am 9. Spieltag).

In der Partie Wolfsburg gegen Schalke schaltete sich der Videoschiedsrichter Wolfgang Stark gleich zweimal bei Entscheidungen ein, die nicht zwingend Fehlentscheidungen des Schiedsrichters auf dem Feld waren. So wurde eine Gelbe Karte zur Roten und eine Rote zur Gelben. Die Verwirrung war groß, der Ärger nach dem Spiel sogar noch größer – und Stark, der Schiedsrichter mit den meisten Einsätzen als VAR (41) in der Saison 2018/2019, wurde bis auf Weiteres von seinem Einsatz als VAR freigestellt.

Trotz der Erfahrung einer ganzen Saison mit Videoschiedsrichter, befindet sich die Bundesliga wohl noch immer in der Findungsphase einer für alle Seiten verständlichen VAR-Regelung.

Hat der Video-Schiedsrichter die Bundesliga also verändert?

Natürlich. Es gibt zwangsläufig mehr Spielunterbrechungen und weniger Tore – ohne VAR-Entscheidungen wären in der letzten Saison ganze 22 Tore mehr gefallen. Hat der VAR den Fußball wirklich gerechter gemacht? Darüber lässt sich nur mutmaßen. Immer wieder gibt es Entscheidungen, die keine alleingültige Bewertung zulassen. Vielmehr hat der Fußball seit Einführung des Video-Assistenten mehr denn je bewiesen, ein unberechenbarer Sport zu sein. Bereits bei der Frage danach, wann eine Fehlentscheidung klar oder unklar ist, kommen Experten, Trainer, Manager, Spieler und Fans ins Philosophieren – eine eindeutige Klärung ist nicht in Sicht.

Letztlich bleibt Fußball auch mit technischer Unterstützung von Kamerabildern ein Sport von Menschen – und Menschen machen Fehler. Zum Glück! Davon lebt die Spannung des Sports. Der Videoschiedsrichter hat die Bundesliga verändert, aber nicht in seinen Grundfesten erschüttert. Es bleibt ein Spiel der Emotionen.

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